Spurenstoffe in der deutschen Wasserwirtschaft

Ergebnisse einer Delphibefragung von Expertinnen und Experten

Im Arbeitspaket "Innovationsmanagement und stoffstrombasierte Multikriterienanalyse" des BMBF-geförderten Forschungsprojektes ZeroTrace werden zukünftige Nutzeranforderungen sowie übergeordnete sozioökonomische und ökologische Aspekte der Entwicklung von neuen Verfahren für die Spurenstoffentfernung auf kommunalen und industriellen Kläranlagen untersucht. Dafür wurde von der inter 3 GmbH eine Delphi-Expertenbefragung in zwei Wellen/Durchläufen zum Thema "Spurenstoffe in der deutschen Wasserwirtschaft" durchgeführt. Gut 100 erfahrene Expertinnen und Experten aus dem Umwelt- und Wasserbereich haben Ihre Einschätzungen zum voraussichtlichen zukünftigen Umgang mit Spurenstoffen und zu zukünftigen Vorgaben in der deutschen Wasserwirtschaft kundgetan.

Das erarbeitete Erwartungsbild der Wasserwirtschaft schafft Perspektiven für die Technologieentwicklung und wurde in der Ausgabe der gwf Wasser | Abwasser 10/2018 in dem Artikel "Spurenstoffe in der deutschen Wasserwirtschaft"  ausführlich dargestellt. Die veröffentlichen Ergebnisse zeigen Korridore für die Technologieentwicklung auf und erweitern die Arbeitsziele von der technischen Machbarkeit auf die sozioökonomische Umsetzbarkeit.

Großer Handlungsbedarf beim Thema Spurenstoffe in der Wasserwirtschaft

Die Umfrage hat gezeigt, dass das Thema Spurenstoffe in der deutschen Wasserwirtschaft von knapp 80% der Befragten als wichtigste Herausforderung gesehen wird. Insbesondere kommunale Kläranlagen, Landwirtschaft und Mischwasserüberläufe wurden dabei als sehr wichtige Eintragspfade für Spurenstoffe in die Gewässer beurteilt. Negative Folgen für die Trinkwasserversorgung und Ökosysteme werden durch die als besonders kritisch eingestuften Arzneistoffe, Haushaltschemikalien und Biozide befürchtet. Ein Bild möglicher Indikatorsubstanzen, angeführt von Diclofenac, Carbamazepin und Benzotriazole konnte in der zweistufigen Expertenbefragung erarbeitetet werden.

Zusammensetzung des Expert:innenpanels

Einführung einer bundesweiten Reglung wird erwartet

Aufgrund von spezifizierten Risiken wird die Einführung einer bundesweiten Regelung zur Spurenstoffentfernung auf kommunalen Kläranlagen zwischen 2021 und 2025 erwartet. Eine mögliche Akzentuierung der Regelung wurde mit Hilfe der Delphi-Methode erarbeitet. Im Ergebnis werden voraussichtlich große Kläranlagen und Kläranlagen, die in Gebieten für die Trinkwassergewinnung, in sensible Ökosysteme oder besonders kleine Vorfluter einleiten, bzw. überdurchschnittliche Spurenstoffkonzentrationen im Ablauf aufweisen zu einer 80% Reduktion von Zielsubstanzen verpflichtet.

Für eine Finanzierung der 4. Reinigungsstufe werden nach Einschätzung der Befragten sehr wahrscheinlich Mittel aus der bundesweiten Abwasserabgabe (nach AbwAG) oder aus Abwassergebühren eingesetzt. Eine Besteuerung spurenstoffemittierender Produkte oder Erhebung von Gewässerschutzabgaben von Herstellern und Importeuren wurde zwar als wünschenswert aber mehrheitlich als ausgeschlossen oder unwahrscheinlich gesehen. Die hohen Einsatzpotenziale von Aktivkohleverfahren in Kombination mit Ozonierung für die 4. Reinigungsstufe werden durch die Umfrage hervorgehoben.

Letzte Herausforderungen auf dem Weg zur Umsetzung

Neben verfahrenstechnischen Entwicklungen scheint aber insbesondere die Verabschiedung von eindeutiger und klarer Regelungen für die Befragten der wichtigste Schritt zu einer dringend benötigten Spurenstoffentfernung auf relevanten kommunalen und industriellen Kläranlagen zu sein. Hohe volkswirtschaftliche Kosten werden ebenfalls als wichtiges Umsetzungshemmnis bewertet genau wie unzureichend validiertes Wissen zur ökologischen Wirksamkeit der aktuellen Ansätze in der 4. Reinigungsstufe. Dagegen spielen Schwierigkeiten bei der Umsetzung wie technische Machbarkeit, Platzmangel, fehlende Akzeptanz und Know-how bei Kläranlagenbetreibern mit jeweils weniger als 10 Prozent an Antworten nur eine untergeordnete Rolle.

Mit Delphibefragungen lässt sich Expertenwissen frühzeitig in die Technologieentwicklung einbeziehen – davon profitieren alle.
Tamara Nuñez von Voigt
Umweltingenieurin